Der Begriff Europa ist seit einiger Zeit durch die politische Entwicklung in Misskredit geraten. Wenn von Europa die Rede ist, denken die meisten Menschen an die Eurokrise, an Staatsschulden und finanziellen Kollaps, an Brüsseler Bürokratie und Flüchtlingsbewegungen. Das ist aus künstlerischer Sicht eine enorme, ja gefährliche, Verengung. Es ist Zeit und aus der Sicht der Kultur notwendig, sich stärker mit den europäischen Wurzeln und Werten auseinanderzusetzen.

Das Wort Europa entwickelte sich bereits im 7 Jahrhundert v. Chr., als nach den Perserkriegen, Europa gegenüber Asien einen rasanten Aufstieg erlebte und ein gesteigertes Selbstbewusstsein erhielt. In Europa steht die Wiege der Demokratie, Einige Zeit später entwickelte sich in Rom die erste europäische Universalmacht. Selbstverständlich folgten auch in Europa ungeheuerliche Verwerfungen, die hier nicht alle aufgezählt werden können.

Ein Wendepunkt markiert die frühe Neuzeit. In Folge der konfessionellen Spaltung erfuhr das „neue“ Europa eine ungeheure Renaissance. Der Begriff der Weltlichkeit machte die Runde, die Öffnung des Denkens und die Unabhängigkeit von göttlicher Allmacht. Die Neuentdeckung der Naturwissenschaften, die Erfindung des Buchdrucks z.B. beeinflusste neben der Reformation die Lebenswelt Europas grundlegend. Der Siegeszug der Säkularisierung überwand den mittelalterlichen Fundamentalismus, förderte das kulturelle und wirtschaftliche Wachstum und mündete in die aufgeklärte und freisinnige Bürgergesellschaft. Gewaltenteilung, politische Partizipation, Bürger- und Menschenrechte, Minderheitenschutz und individuelle Freiheit sind europäische Errungenschaften, die außerhalb des Kontinents bis heute entweder noch entschieden abgelehnt werden, oder durch europäische Zuwanderung zumeist in einem mühsamen und umkämpften Prozess importiert wurden (z.B. in Nordamerika).
Es gibt viele Gründe auf Europa stolz zu sein, Deshalb thematisiert das Stadttheater  in dieser Saison besonders in seinen Eigenproduktionen entschieden das europäische Menschenbild. Shakespeares aufgeklärter Geist ist europäisch, nicht britisch, Offenbachs Musik ist in seiner deutsch-, jüdisch- französischen Symbiose zutiefst demokratisch – die engstirnige Obrigkeit bösartig karikierend. „Pinocchio“ ist ein Buch, das Millionen junge und alte Leser das Erwachsenwerden in einer westlichen, aber nicht speziell italienschen, Kultur näher gebracht hat.

Europa braucht ein neues Selbstbewusstsein. Die Überwindung der nationalen Grenzen haben Freiheit, Vielfalt, Wohlstand und Individualismus erst möglich gemacht,  Fundamentalismus (nicht nur im religiösen Gewand), Nationalismus und autoritäre Herrschaftsformen bedrohen aus Asien und der islamischen Hemisphäre den Westen und Europa.

Europa und die europäische Kultur haben Besseres zu bieten: Das wollen wir unserem Publikum in dieser Spielzeit zeigen.