„Der Kick“ wurde in den letzten Jahren an vielen Theatern im deutschsprachigen Raum gespielt, in seiner Uraufführung zum Berliner Theatertreffen eingeladen, mehrfach preisgekrönt – als Film wie als Theaterfassung – und viel diskutiert. Worum geht es für dich in diesem Stück und was reizt Dich daran?


Der Mord an Marinus Schöberl im Jahr 2002, der im Zentrum von „Der Kick“ steht, wird oft in Zusammenhang mit rechter Gewalt betrachtet, so taucht die Tat beispielsweise in Olaf Sundermeyers Sachbuch „Rechter Terror in Deutschland“ auf.
Orientierungslosigkeit und Perspektivlosigkeit von Jugendlichen, die sich besonders in strukturschwachen Gegenden abgehängt von der Entwicklung anderenorts oder auch vom persönlichen Erfolg anderer fühlen, werden ebenfalls immer wieder als Gründe für eine letztlich unerklärliche, extrem grausame Tat herangezogen.
Solche und viele andere Erklärungsversuche offenbaren sich in den minutiös protokollierten Gesprächen mit Tätern, Angehörigen, Verwandten und Mitbewohnern, aus denen das Stück besteht. „Der Kick“ ist also sowohl Prototyp als auch eines der erfolgreichsten deutschsprachigen Stücke des „Dokumentarischen Theaters“, das sich ausschließlich auf Fakten, Sachtexte, Verhör- / Interviewprotokolle und ähnliches stützt und dieses Material szenisch darlegt, ohne dabei aber Figuren oder Handlungen zu konstruieren und damit „Dramatik“ zu erzeugen, wie es konventionelle Stücke tun.

 

Chorisches Sprechen ist ein zentraler Ansatz deiner Inszenierung. Wie kommt es dazu und was gewinnt das Stück durch die chorische Herangehensweise?


Unsere Inszenierung hebt einen Gedanken hervor, der sich durch viele Erzählungen der dörflichen Gemeinschaft in „Der Kick“ hindurch zieht: Die bewusste oder unbewusste Weitergabe von Gewalterfahrungen über Generationen hinweg. Gewalt als Erbschaft. Es ist also ein gesellschaftlicher Ansatz, der die Dorfgemeinschaft als Mikrokosmos eines Gemeinwesens ins Zentrum rückt. In diesem Mikrokosmos gibt es kollektive Meinungen ebenso wie Einzelstimmen, die das Wort erheben. Aus der archaischen Brutalität der Mordtat inmitten einer zivilisatorischen Gemeinschaft ergibt sich das naheliegende Bild eines antiken Dramas mit dazugehörigem Chor, der die Positionen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Protagonisten und seiner Tat darstellt.

In diesem Kontext wird aus einem postmodernen Text, der sich aus den Aussagen einzelner Individuen zusammensetzt, ein Choral im Spannungsfeld von Masse und Individuum.
Zum ersten Mal arbeitet das Junge Ensemble – in seiner mittlerweile vierten Inszenierung – einerseits mit Josephine Mayer, einer Schauspielerin aus unserem neuen professionellen Kinder- und Jugendtheater-Ensemble KULT und andererseits mit aktuellen und ehemaligen Mitgliedern der Schulband der Ullstein-Realschule zusammen. Wenn man so will also ein echtes „Cross-Over-Projekt“ – was macht den Reiz dieser Arbeit mit Menschen, die in ganz unterschiedlichen Lebenszusammenhängen stehen, aus?
Nun besteht ja schon alleine das Junge Ensemble mit seinen fünf Männern und drei Frauen aus sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten! Diese als Chor zusammenarbeiten zu lassen, ist eine wunderbare Herausforderung und entspricht unserem Ansatz, eine (Dorf-) Gemeinschaft abzubilden, die aus Individuen mit Eigenarten und Eigenheiten besteht und eben gerade keine uniforme Masse ist. Dass unser „bunter Haufen“ Junges Ensemble dieses Mal durch Josefine Mayer aus unserem KULT -Ensemble und einer Schülerband musikalisch und szenisch unterstützt wird, empfinde ich als ein Geschenk, das unsere Arbeit sehr bereichert.

 

Was gibt es zum Bühnenbild und zur Ausstattung zu sagen?


Man darf sich die eben beschriebene Buntheit nicht auf das Bühnenbild und die Kostüme übertragen vorstellen! Die Kostüme werden schlicht und reduziert sein, das Bühnenbild wird an das Antike Theater erinnern. Mehr wird vorerst nicht verraten…