Insgesamt sechs Schulstunden beschäftigte sich die Klasse 10d des Heinrich-Schliemann-Gymnasiums mit den Vorbereitungen auf den Opernbesuch von „Baruchs Schweigen“.
Höhepunkt war sicherlich der Besuch der Komponistin Ella Milch-Sheriff  am 4. Mai in der Klasse. Die Schülerin Agnes Lengenfeld berichtet darüber.

„In den letzten Deutschstunden bereiteten wir uns auf die Oper „Baruchs Schweigen“, die im Juni im Stadttheater Fürth aufgeführt wird.

Doch was bedeutet Schweigen? Das war die erste Aufgabe, die Johannes Beissel uns gegeben hat. Das ganze sollten wir stillschweigend in Gruppenarbeit machen.

Danach haben wir uns mit den 10 Geboten beschäftigt. Wir sollten uns selbst unsere eigenen Gebote ausdenken und überlegten, was das für ein Mensch sein  muss, der sich solche Gebote vorschreibt, wie Baruch Milch. Er musste ein verbitterter Mann sein, der schon schlimmes durchgemacht hat und enttäuscht wurde. Mit unseren Vermutungen lagen wir ziemlich richtig, Dr. Matthias Heilmann hat uns danach die ganze Geschichte erzählt. In der nächsten Stunde hörten wir Ausschnitte aus der Oper und beschäftigten uns mit der Gestaltung der Musik.
Der Höhepunkt unserer Vorbereitung war der Besuch der Komponistin Ella Milch-Sheriff. Sie ist in Israel geboren und sprach damals nur Hebräisch (jetzt spricht sie auch sehr gut Deutsch). Sie wusste, dass ihre Eltern nicht aus Israel, sondern Polen kommen. Mit den Muttersprachen ihrer Eltern, polnisch und jiddisch, wollte sie nichts zu tun haben.

Über seine Vergangenheit hat ihr Vater nie viel geredet. Um sich zu trösten, sagte sie sich immer wieder, ihre Eltern liebten sie, könnten es nur nicht zeigen. Mit 13 Jahren fand sie ganz zufällig einen Artikel, geschrieben von ihrem Vater, in dem er über seine erste Frau und seinen Sohn schreibt, die von den Nationalsozialisten getötet worden sind. Das war ein Schock für Ella, sie hat geschrien und geweint. Aber auch danach hat sie nur vage Erklärungen bekommen. Erst als ihr Vater älter wurde, bat er Ella und ihre Schwester über seine Geschichte ein Buch zu veröffentlichen. Er schrieb seine Erinnerungen auf und als er starb waren die ersten 3 Kapitel fertig. An einem Tag kam dann ein Anruf von einer Journalistin aus Polen, dort wurde das Originaltagebuch von ihrem Vater gefunden. Ella übersetze die Einträge und tippte sie in ihre Schreibmaschine ein, während sie weinte. Sie konnte nicht glauben, was ihr Vater da alles durchgemacht hat, mit der Zeit verstand sie und vergab ihm.

In ihrem Buch „Ein Lied für meinen Vater“ verarbeitet sie ihre Kindheit. Ihre Sprache aber ist die Musik und so ist nach dem Erfolg ihrer Kantate „Ist der Himmel leer?“ (das letzte Gebot), die Oper „Baruchs Schweigen“ entstanden. Die Oper stimmt aber nicht ganz mit ihrem Leben überein. Aus ihr und ihrer Schwester wurden eine Tochter und aus dem Schwager der Bruder. Außerdem haben die Personen keinen Namen, sondern nur „die Tochter“ oder „der Bruder“. Es ist nicht die Geschichte ihrer Familie, sondern die von vielen. Es soll zeigen, was damals grausames geschehen ist.

Zu einem unserer Gebote, „Du darfst nicht töten“ wirft Ella eine Frage auf: Darf man jemanden anderen umbringen, um sich selbst und andere zu beschützen, so wie ihr Onkel seinen kleinen Sohn erwürgen musste, damit sie nicht verraten werden? Das ist eine schwere Frage, denn wir leben nicht unter solchen Umständen. Schwere Zeiten verändern Menschen. In seinem Tagebuch hat Ellas Vater dazugeschrieben: „Wir waren keine Menschen mehr“.

Worin sich aber wohl alle einig sind: So etwas darf nie wieder passieren! Aber wir, Menschen, die diese Zeit und die direkten Folgen nicht miterlebt haben, können uns das manchmal gar nicht so richtig vorstellen.

Deshalb ist für Ella der Dialog mit uns sehr wichtig. Sie hat Angst davor, dass die Geschichte in einigen Generationen nicht mehr geglaubt wird. Es ist wichtig sich mit diesem Thema auseinander zu setzten. Sie möchte, dass wir verstehen und uns dafür auch die Oper anschauen, obwohl wir vielleicht so eine Musik normalerweise gar nicht hören. Aber wir sollen ihr eine Chance geben und das werden wir auch.

Es ist wirklich bewundernswert, wie offen Ella Milch-Sheriff mit ihren Erlebnissen umgeht. Es war toll, sie einmal selbst zu erleben. Und wie einer unsrer Lehrer sagt: ‚Es kommt nicht jeden Tag eine bekannte Komponistin an unsere Schule.‘“