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Gerd Beyer

Zum zweiten Adventssonntag gibt es wieder etwas zu schmökern. Heute feiert unser diesjähriges Weihnachtsmärchen Premiere. Passend zu unserem Spielzeitmotto – Nur Mut! – geht es auch in diesem Märchen um Mut. Der Held des Grimmschen Märchens „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ findet heraus, was es heißt, Angst zu haben. Im Interview äußert sich Regisseur Gerd Beyer zu seinen Ideen.

Den Trailer zu dem Stück gibt es hier.

Worum geht es in „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“?

Es geht um einen Jungen, der keine Angst hat. Sein Vater und seine beiden Brüder wundern sich darüber und versuchen ihm klar zu machen, dass er lernen muss, was Angst ist. So zieht er in die Welt, um das Fürchten zu lernen.

Der Held kennt anfangs keine Angst. Was soll daran schlimm sein? Klingt doch eigentlich ganz praktisch, oder?

Ja, das stimmt. Wer will schon Angst haben? Das ist ja kein angenehmes Gefühl. Und tatsächlich scheint die „Fähigkeit“ sich nicht zu fürchten im Verlauf der Geschichte recht praktisch für unseren Helden zu sein, begegnet er doch ohne Furcht all den Gefahren und bedrohlichen Figuren, die auf seiner Reise lauern und kommt immer heil davon. Aber ihm fehlt etwas zum Glücklich sein. Seine Furchtlosigkeit ist ja kein Mut, denn mutig ist, wer seine Furcht besiegt. Seine Furcht besiegen kann aber nur, wer seine Furcht (er-)kennt.

Boris Keil, Jördis Trauer, Tristan Fabian | Foto: Thomas Langer

Wozu brauchen wir nun aber die Furcht? Im Stück sagt der Wanderer: „Sich fürchten ist schlecht, sprach der Vater, aber die Angst nicht kennen, ist noch schlechter.“ Wie ist das zu verstehen?

Die Angst hilft dem Menschen, angemessen auf Gefahrensituationen zu reagieren. Das Fehlen von Furcht führt dazu, dass wir Hinweise auf Gefahren ignorieren und auf erkannte Gefahren nur konfrontativ reagieren. Der Mangel an Furcht des jüngsten Bruders ist auch ein Mangel an Mitgefühl und der Fähigkeit, zu differenzieren. Deshalb behandelt er auch alles, ob tot oder lebendig, ziemlich grob. Ja mehr noch, er kann eigentlich nicht einmal zwischen tot oder lebendig unterscheiden, was zu grotesken Situationen führt.

Aber das Zitat geht noch weiter: „Denn wer die Furcht nicht kennt, kennt auch kein Glück.“ Was ist damit gemeint?

Das heißt für mich: Wer keine Angst kennt, kennt auch keine Liebe. In der vorliegenden Fassung wird dem Jüngsten nicht ein Eimer kaltes Wasser mit kleinen Fischen ins Bett geschüttet, damit er sich endlich gruselt, sondern in ihm erwacht plötzlich die Angst um seine gerade gewonnene Liebste: Er kann sich  endlich um einen anderen Menschen Sorgen machen. Und er hat Angst, ihn wieder zu verlieren. Das ist ein zutiefst menschlicher Zug. Der Jüngste  ist ausgezogen, das Fürchten zu lernen und hat die Liebe (kennen-) gelernt. Das ist für mich auch eine Geschichte der Menschwerdung.

Was möchtest Du den kleinen und großen Zuschauern durch Deine Inszenierung erzählen oder mitgeben?

Dass es nicht schlimm ist, Angst zu haben. Es ist sogar (über-) lebensnotwendig. Und nur wer Angst hat, kann auch Mut haben! Angst ist genauso ein wichtiges Gefühl wie Liebe – es macht uns erst zum Menschen und uns alle menschlicher.

Welche Rolle spielt die Musik?

Musik ist ein wichtiges Transportmittel für Gefühle und Stimmungen jenseits aller Worte und Gedanken. Sie  erreicht nicht nur den Kopf, sondern vor allem das Herz des Zuschauers und das ist mir – gerade bei einer Inszenierung für Kinder – sehr wichtig. So notwendig Informationen für das Verstehen des Stückes auch sein mögen, mir geht es vor allem darum, dass die Kinder das Stück fühlen, erleben können, als wären sie selbst Teil der Geschichte, oder besser noch: sie sollen Teil der Geschichte werden. Während Erwachsene sich eher in eine Geschichte hinein versetzen, haben Kinder die Fähigkeit, sich in die Geschichte hinein zu begeben. Und dabei kann die Musik natürlich helfen und deshalb wird sie in unserer Arbeit eine große Rolle spielen, aber psst! man darf vorher nicht zu viel verraten…

Wie begegnest Du den Ängsten mancher Lehrer, die Inszenierung könnte Kindern Angst machen oder zu gruselig für sie sein?

Ich glaube, dass Kinder sich gerne gruseln. Ich habe selber zwei, 5 und 10 Jahre alt und weiß um die Lust am Grausen. Aber: so schlimm wird’s nicht werden, denn ich vertraue auf unsere Fassung, die in entscheidenden Punkten vom Märchen der Brüder Grimm abweicht. Während dort wirklich Tote am Galgen hängen, sind es hier die Brüder, die dem Jüngsten das Gruseln beibringen wollen und alles nur inszenieren. Sie sind zwei Clowns, bei denen alles schiefgeht und das dürfte sehr lustig werden. Wir werden auf jeden Fall achtgeben, dass die Mittel, die wir benutzen, kindgerecht sind. Ich lege viel Wert darauf, mit der Phantasie der Kinder zu arbeiten. Statt ihnen fertige „viel zu gruselige“ Bilder vorzusetzen, möchte ich so arbeiten, dass die Bilder im eigenen Kopf entstehen oder dort vollendet werden. So verstehe ich auch Theater: dass der Zuschauer ein Mitspieler ist, der in seinem Kopf das Stück vollendet.

Boris Keil, Tristan Fabian, Jördis Trauer | Foto: Thomas Langer

Du hast in der vergangenen Spielzeit sehr erfolgreich „Fluchtwege“ im Klassenzimmer inszeniert, jetzt inszenierst Du das erste Mal für die große Bühne und mit unserem kompletten Schauspiel-Ensemble: Worauf freust Du Dich besonders?

Natürlich auf das Ensemble! Ich habe die vier jungen Schauspieler schon kennen gelernt und konnte sie beim Theaterfest auf der Bühne bewundern. Ich freue mich sehr auf die Arbeit mit ihnen. Auf einer großen Bühne zu inszenieren ist etwas völlig anderes als im Klassenzimmer. Da gibt es Licht und Musik, ein Bühnenbild und Kostüme. Da kann man ganz anders zaubern und das alles muss sorgfältig vorbereitet werden. Ich habe mich schon ein Vierteljahr vor Probenbeginn mit der Bühnenbildnerin Angela Loewen getroffen, um mit ihr das Bühnenbild und die Kostüme zu besprechen. Das alles sind Herausforderungen, auf die ich mich sehr freue, dennoch wird die Arbeit mit den Schauspielern für mich immer im Mittelpunkt stehen. Das ist das Zentrum der Arbeit. Alle anderen Dinge können unterstützen, helfen, bereichern, aber berührt, zum Lachen und Weinen gebracht wird der Zuschauer von den Schauspielern. Und gerade das hat mich auch am Klassenzimmerstück sehr interessiert. Jetzt, auf der großen Bühne, wo ich ganz andere Möglichkeiten habe als im Klassenzimmer, ist es mein wichtigstes Anliegen, mit den Schauspielern ebenso fein und genau zu arbeiten, dass der innere Reichtum der Figuren sichtbar wird und sie uns mitreißen können. Ich werde mich nicht auf die großen Theatereffekte verlassen und sie dennoch gerne nutzen.

Was sollte Theater für junge Zuschauer Deiner Meinung nach leisten? Warum und wozu brauchen Kinder Theater?

Im Theater kann man lebendigen Menschen beim Spielen zusehen. Man kann sie nicht nur sehen und hören, sie sind auch wirklich anwesend. Man kann sie spüren und manchmal auch riechen;-) Und die Erfahrung der physischen Anwesenheit, diese Präsenz ist es, die in unserer immer virtueller werdenden Zeit sehr wichtig ist. Nicht nur für Kinder, aber besonders für sie. Die Figuren zwingen uns, ihnen zuzuhören, uns mit ihnen auseinander zu setzen, wir können sie nicht einfach abschalten oder wegzappen. Und wir können durch ihr Verhalten und die Situationen, in die sie  kommen, viel lernen und verstehen, auch für unser eigenes Leben. Und ich beobachte oft, wie meine eigenen Kinder während eines Theaterbesuches aufstehen, mitspielen, manchmal regelrecht aus der Fassung geraten, während sie vorm Fernseher ganz ruhig dasitzen und alles aufsaugen. Das ist es, was Theater kann: unmittelbar mitreißen. Ich hoffe, das gelingt uns!

Sunna Hettinger | Foto: Thomas Langer

Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

Premiere: 10. Dez 2017, 18.00 Uhr

Weitere Vorstellungen:

17. Dez 2017, 15.00 Uhr

25. Dez 2017, 18.00 Uhr

26. Dez 2017, 18.00 Uhr

Stadttheater Fürth, Großes Haus

Tickets unter: www.stadttheater.de/fuerchten