Beitrag des Schreibwettbewerbs „Ein Volksfeind“: „Ein Volksfeind?“
27 Montag Jan 2014
Geschrieben von Redaktion in Schauspiel, Werkstatt und Foyer
EIN VOLKSFEIND?
von Vera C. Koin
Gute Frage.
Oder?
Nein, vielleicht doch nicht so gut.
Ich weiß jetzt gar nicht, was ich dazu sagen soll.
Der G. sagt, Feinde lauern hinter jeder Ecke, sagt BILD.
Aber das ist doch Quatsch!
Uns geht’s echt gut. Zurzeit.
Wo wir doch die GroKo haben. Das Volk hat gewählt! Damit alles so bleibt, wie es ist.
Merkt man ja jetzt auch zu Weihnachten. Die Deutschen sind in Kauflaune. Das lassen wir uns nicht vermiesen!
Das Weihnachtsfest.
Und außerdem haben wir seit kurzem unseren Franziskus. Den neuen Papst. Und eine neue Verteidigungsministerin. Das sind doch zwei echte Hoffnungs-träger. Stimmt’s?
„Es geht vor allem um die Menschen“, sagt Frau von der Leyen, „und deshalb brauchen wir eine bessere Ausrüstung für die Truppe.“
Toll, die Frau!
Mehr Geld für die Rüstung. Gut so! Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Das schreckt jeden Feind ab.
Wo doch Bayern München aller Welt zeigt, wo die Sieger zu Hause sind.
Wir sind das Volk. Ein Volk, ein Reich, ein…
Hoppla! Das wäre mir jetzt beinahe so rausgerutscht.
Es muss schon alles mit rechten Dingen zugehen!
Deshalb ist es auch besser, wenn Deutschland den Snowden nicht aufnimmt. Weil man doch gar nicht weiß, was hinter dieser NSA-Affäre überhaupt steckt. Willkommenskultur schön und gut.
Aber möchten Sie vielleicht einen von den Guantánamo-Häftlingen in einem Asylantenheim in Ihrer Nähe wissen? Dann hätten Sie ja den Feind in Ihrem Bett, sozusagen.
Den Volks-Feind.
Wie bitte?
Ich soll nicht weltoffen sein?
Ich bin halt wie ich bin. Und was die anderen machen, ist mir persönlich völlig wurscht.
Obwohl? Meine Nachbarin, die Frau M., jammert mir ständig die Ohren voll, dass sie sich einsam fühlt. Dass sie zu wenig Kontakt hat. Selbst Schuld!
Wozu gibt es denn Handys. Oder Facebook? Ich habe dort 332 Freunde. Also, wie man sieht: Alles im grünen Bereich. Kein Feind weit und breit. Die einzigen, die man wirklich in Schach halten sollte, sind diese Intellektuellen mit ihrer Eitelkeit, Arroganz und Überheblichkeit.
Wenn ich nur daran denke, dass neulich so ein Besserwisser seinen Senf dazu geben musste, als in der Zeitung stand, die Franken hätten beim aktuellen Glücksbarometer nur einen der hinteren Plätze ergattert. Er meinte, das könne auch an einem Mangel an Kultur in der Region liegen.
Also, ich bitte Sie! Wozu brauchen wir denn noch mehr Kultur? Davon kannst du nicht satt werden. Und satt wird bei uns noch jeder.
Oder etwa nicht?
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Prof. Veronika Priesner / Vera C. Koin wurde 1946 in Fürth geboren und studierte Grundschulpädagogik, sowie elementare Musik- und Tanzerziehung. Seit einiger Zeit widmet sie ihre schriftstellerischen Fähigkeiten nicht nur der Veröffentlichung von Fachbüchern zum Thema Musikpädagogik, sondern auch dem Verfassen von Kinderbüchern, Gedichten und Kurzgeschichten. Bis 2010 war sie als Professorin für Elementare Musikpädagogik an der Hochschule für Musik in Nürnberg tätig. Nun ist sie im Ruhestand und lebt mit ihrem Mann und dem Kater Felix in Nürnberg.