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Die Proben für die nächste Produktion unseres Ensembles sind in vollem Gange. Wir haben für Sie schon mal einen Einblick in die Welt von „Simplicius Simplicissimus – der klügste Mensch im Facebook“ gewagt: hier finden Sie ein Interview des Regie-Teams um Jochen Strodthoff und Thomas Stang und des Bühnen-und Kostümbildners David König.

Wer genau sind Simplicius Simplicissimus und „Der klügste Mensch im Facebook?

„Ich bin der klügste Mensch im Facebook“ ist die provokant freche Ansage des jungen syrischen Facebookbloggers Aboud Saeed, der inzwischen in Berlin lebt.

Simplicius Simplicissimus – zu deutsch der Einfachste der Einfachen – ist der kindliche Titelheld des berühmten gleichnamigen frechen deutschen Schelmenromans von 1668. Saeed und Simplicius sind für uns zwei Kriegsberichterstatter. Sie geben uns Auskunft über Kriege, die ihr Leben total verändert und in den Grundfesten erschüttert hat. Sie  lassen das Publikum aber im Unklaren darüber,  wie es Ihnen wirklich damit geht. Die scheinbar naive Sprache im Simplicius, die super-coole Sprache bei Saeed und der bei beiden durchgehend ironische Ton darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass beide durch den Krieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Was haben die beiden gemeinsam, was verbindet sie?

Sie verbindet zunächst der kriegerische Zustand der Welt in der sie leben. Doch vielmehr verbindet sie ihr persönlicher Umgang mit dieser schwierigen Situation. Nur in Nebensätzen  oder wie durch einen Filter können wir erahnen, was der Krieg eigentlich mit ihnen und ihren Familien gemacht hat. Beide reagieren mit coolem Humor und stilisieren sich nicht als leidende Opfer. Das macht sie besonders.

Was hätte wohl Simplicius zu unserer heutigen Welt gesagt, was wäre seine Meinung zu Facebook & Co?

Er würde vermutlich der ganzen Welt in Windeseile sagen: ICH bin der klügste Mensch im Facebook!

Buchdruckkunst vs. Social Media: zwei Kulturrevolutionen? (Wie sind sie im Stück verankert, stehen sich gegenüber, welche Rollen spielen sie?)

Jeder der beiden Autoren bedient sich des zu jeweils seiner Zeit modernsten Mediums:  Buchdruck der eine, Facebook der andere. Ohne Buchdruck oder Facebook hätte es die beiden in dieser Form sicher nicht gegeben. Sie bilden die Plattform auf denen ihre Gedanken und ihre Poesie überhaupt verbreitet werden können. In unserer Theaterarbeit beschäftigen wir uns mit einer noch früheren Kulturrevolution: Dem Schreiben an sich. Es geht um Ausdruck. Wir beschreiben im wahrsten Sinne des Wortes die Bühne mit Farbe. Wir drücken uns aus, wir hinterlassen (Ge-)Schichten.

Seine eigene Geschichte zu formen,  um persönliche Spuren zu hinterlassen, ist seit Jahrtausenden bei uns Menschen fest verankert. Ob Gilgamesch Epos, Odyssee, Werther oder Like a rolling stone.

Wie entstand/entsteht  das Stück, wie ist der Prozess?  (Ist ja kein klassisches Theaterstück, sondern „performativ“, Frage gerne auch auf Bühnenbild, Kostüme beziehen)

Performativ heißt hier zunächst ganz einfach, dass es keine klassischen Figuren gibt. Die Performer behaupten nicht etwas anderes zu sein, als das, was sie sind. Sie bringen die Geschichten spielerisch zum Klingen, wie Musiker. Sie malen, rappen und schreiben. Und natürlich wollen sie schneller als mit Schallgeschwindigkeit und lauter als Bomben sprechen. Ein Abenteuer, bei dem es um ein Thema geht: Wie fühlt es sich an, sein Zuhause zu verlieren? Bob Dylan fragt: How does it feel? To be on your own? With no direction home? Dieses Gefühl ist zeitlos und universell.

Welches Publikum wollt Ihr erreichen, für wen ist das Stück?

Für alle Menschen ab 14 Jahren, die die Lust und Offenheit haben, unseren Crossover von Malerei, Musik, Schauspiel und auch klassischem Sprechtheater neugierig zu begegnen. Gleichzeitig bekommt unser Publikum die Chance, Berichte von geflüchteten Menschen, die zwei komplett unterschiedlichen Epochen und Kulturen entstammen,  aus einer ganz anderen Sichtweise zu erleben:

Aus der Perspektive zweier kluger Narren, die sich auflehnen gegen die ihnen zugeschriebene Rolle als arme Opfer und die sich dagegen wehren, keinen Pfennig wert sein zu sollen.