Share it

Wissenschaft und Glauben
– Man kann an die Wissenschaft glauben, was an sich bereits einen impliziten Widerspruch darstellt, denn wieso an etwas glauben, was man ja im wissenschaftlichen Sinne bereits weiß.
– Man kann der Wissenschaft den Glauben an etwas Übersinnliches, Meta-physisches gegenüberstellen.
Der Wissenschaftsgläubigkeit kann man nicht nur wegen ihres inneren Widerspruchs mit gewisser Skepsis begegnen. Wissenschaft generiert heute so unfassbar viele und leicht zugängliche Erkenntnisse, dass ein einzelner Mensch gar nicht mehr in der Lage ist, deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.
Wissenschaftsgläubigkeit bedeutet also auch Hoffnung, dass wahr ist, woran man glaubt und man den „Schöpfern der Erkenntnisse“ vertrauen kann. Die Gefahr, dass Wissenschaftsgläubigkeit zur Ersatzreligion wird, ist also nicht unbegründet und erfordert eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff Glauben. Was bedeutet „Glauben“ ganz nüchtern betrachtet? In erster Näherung könnte man sagen: Woran ich glaube, daran hängt mein Herz, das bewegt mein Denken und Handeln und lässt, je mehr ich an etwas Bestimmtes glaube, anderem weniger Raum. Man glaubt an die Wissenschaft und ist überzeugt von Sinn und Wahrheit ihrer Erkenntnis. Was aber, wenn man an die Grenzen der Erkenntnis stößt? Der, im extremsten Fall, ausschließliche Glaube an die Wissenschaft könnte also den Zugang zu allem, was nicht wissenschaftlich belegbar ist, verwehren oder zumindest implizieren, dass nur wahr ist, was man weiß. Ein etwas beschränkter Glaube, denn das Wissen der Menschheit ist doch, bei allem Respekt gegenüber der modernen Forschung noch sehr begrenzt. Damit folgt konsequenter Weise die Auseinandersetzung mit dem zweiten Aspekt, dem Glauben an das, was über das reine Wissen hinausgeht. Oft wird man als Physiker und Christ gefragt, wie man Wissen und Glauben miteinander vereinen kann und ob sich das nicht gegenseitig ausschließt. Eine Antwort darauf lautet häufig, dass dort, wo das Wissen aufhört, der Glauben beginnt, was zunächst einleuchtend klingt. Bei näherer Betrachtung stellt diese Behauptung aber eine Abgrenzung dar: Solange ich etwas weiß, brauche ich keinen Glauben; erst wenn ich an meine Erkenntnisgrenzen stoße, ziehe ich mich zurück auf Glauben oder Vermutungen. Wie also ist das nun mit dem Glauben an die Wissenschaft, dem Glauben oder der Wissenschaft und dem Glauben und der Wissenschaft? Diese Frage beschäftigt seit jeher viele Physiker wie Einstein, Heisenberg oder Dirac! Dirac, der die Mathematik erfunden hat, um Einsteins spezielle Relativitätstheorie und die Quantentheorie miteinander zu verbinden, war überzeugter Atheist und behauptete: „Der Begriff Gott ist ein Produkt primitiver menschlicher Phantasie, entstanden aus menschlicher Angst vor der Übermacht der Naturkräfte“. Einstein hat diese Art der Religion als Furcht-Religion bezeichnet, als Offenbarungsreligion im fundamentalen Gegensatz zur wissenschaftlichen Einsicht in kausale Zusammenhänge (Ursache-Wirkungs-Prinzip). Während Dirac mit seiner wissenschaftlichen Sichtweise zum Atheisten wurde, ist Einstein gedanklich nicht stehen geblieben.
Er sah als Folge der Furcht-Religion, die sich einen Gott erschafft, den man mit Opfergaben besänftigen kann, die Moral-Religion, bei der die Furcht einer Sehnsucht nach Liebe und Führung weicht, also einer christlichen Religion, wie wir sie heute kennen. Aber damit war er nicht glücklich, weil er immer noch keine Einigung zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und religiöser Sehnsucht und Glauben gefunden hatte. Er definierte in einem nächsten Gedankenschritt die Kosmische Religion, in der sich die Freude und Verwunderung über die Natur ausdrückt, auch über die bis dahin unverstandene Natur. Seine religiöse Sehnsucht hat sich in gewisser Weise in der Sehnsucht nach der vollkommenen Erkenntnis erschöpft! Wissenschaftlich gesehen hat sich das in seiner Ablehnung der auf Wahrscheinlichkeiten basierenden Quantentheorie gegründet und endete in seinem berühmten Satz: Gott würfelt nicht! Den man auch mit „die Natur würfelt nicht“ interpretieren muss. Mit der kosmischen Religion haben sich viele Physiker also einen Kompromiss geschaffen, der ihnen den vermeintlichen Gegensatz Physik und Religion auflöst. Letztlich haben Einstein und Co. auf dem Weg zur Religion ihre Position der Wissenschaftsgläubigkeit – also der Suche nach der Erkenntnis und des Wissens – nicht aufgegeben. Man könnte sagen, sie haben es nicht gewagt, die Position des religiösen oder glaubenden Denkens und Handelns einzunehmen sondern versucht, die Religion in ihrer Sichtweise zu vereinnahmen. Der Gedanke einer Kosmischen Religion, also die Verwunderung über die unverstandene Natur, macht es einem Physiker dahingehend einfach, dass nicht notwendigerweise ein Gott erforderlich ist, an den man glauben müsste. Kosmische Religion oder im wissenschaftlichen Sinn Naturbewunderung fordert auf, die Verwunderung, die zur Neugier werden kann, zu befriedigen und nach Erkenntnissen zu suchen, die man findet, indem man dem klassischen „Ursache-Wirkung-Prinzip“ folgt, also nach kausalen Zusammenhängen forscht. Physiker wie Einstein haben also das Wort Religion mit der Sehnsucht und Suche nach Erkenntnis für kausale Zusammenhänge gleichgesetzt, im Gegensatz zur christlichen Religion, die den Glauben an einen persönlichen Gott kennt! Glaube wird zum Fortschritt im faktischen Wissen und macht den Naturwissenschaftler in gewisser Weise selbst zu einem Gott, zunächst sicher noch zu einem unvollkommenen, weil man ja noch nicht bis zur letzten Erkenntnis durchgedrungen ist. Wie also ist das nun mit dem Wissen der Physik und dem Glauben an die Metaphysik? Den Glaubenssäulen der Naturwissenschaft, also der Suche nach allgemeingültiger, beweisbarer, vermittelbarer Erkenntnis und objektiven Wissen stehen in der Christlichen Religion die Säulen des persönlichen Glaubens und Vertrauens gegenüber. Um die Position eines im christlichen Sinne glaubenden Menschen einzunehmen, muss man die allgemeingültige und anerkannte Position der Wissenssuche verlassen und eine neue Perspektive einnehmen, die zu neuen Erkenntnissen führen kann. Mit anderen Worten auf der Erkenntnissuche wissenschaftliche Kriterien aufgeben und das tun, was ein Christ tun soll, nämlich glauben. Man begeht damit als Naturwissenschaftler einen Paradigmenwechsel und erlaubt urplötzlich dadurch, dass man nicht mehr beweisen will, den Zweifel. „Ich bin getauft!“ hat Martin Luther mit Kreide auf seinen Schreibtisch geschrieben, wenn ihn der Zweifel überkam! Man gibt auf, Unerklärliches wissen zu wollen und anerkennt als Physiker die Unwissenheit und insbesondere die Möglichkeit der Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis! Wie bringt das beim Gegensatz Glauben contra Wissen weiter? Wenn man glaubt, ist das in gewisser Weise auch ein Entschluss. Man beginnt, sich entsprechend der Verheißungen durch Christus auf seine Lehre bewusst einzulassen und entschließt sich, seinem Wort zu vertrauen. Das ist, wie den Fuß auf eine Eisfläche zu setzen und zu hoffen, dass sie ohne Wissen und Beweis eben doch trägt. Das sind die Säulen der christlichen Religion, zu glauben, zu hoffen und zu vertrauen im Gegensatz zum Wissen und Beweis. Und dann gewinnt man auch als Christ Erkenntnisse. Keine naturwissenschaftlichen, objektiven, mitteilbaren oder allgemeingültigen Erkenntnisse sondern persönliche Erkenntnisse. Erkenntnisse, die subjektiv sind, nicht beweisbar, nicht konservierbar und insbesondere nicht übertragbar oder erklärbar aber dennoch ebenso real existent. Subjektive Erkenntnis,
aus der eine unerklärliche Sicherheit und ein tiefes Wissen entstehen. Man muss sich dieses Wissen immer wieder neu schenken lassen als eine individuelle, persönliche Erkenntnis. Man bekommt sie, wenn man glaubt, unverhofft und ohne eigenes Zutun, die Erkenntnis über die Existenz eines Schöpfers, über einen tiefen, unerklärlichen Sinn des Lebens, eine Erkenntnis, die den Glauben an einen persönlichen Gott zur Realität werden lassen. Und diese Art der Erkenntnis unterscheidet sich fundamental von der wissenschaftlichen Erkenntnis, die menschlich und begrenzt ist. Mit Wissenschaft lässt sich Gott nicht erkennen, das haben intelligente Menschen bewiesen, die aber ihre Position und Glaubenssäulen nicht verlassen haben. Wissenschaft zeigt oder gibt eine Ahnung, was an „Zufällen“ geschehen muss (Zufälle, die der Physiker mit dem Kausalitätsprinzip zu erklären versucht und damit doch nicht zur ultimativen Erkenntnis gelangen kann), damit Leben und Menschsein überhaupt möglich ist. Zusammenfassend möchte ich mit nachfolgender These schließen: Wissenschaft gibt durch menschliche Erkenntnis eine Ahnung zur ungeheuren Ordnung im Kosmos aber keine Antwort auf den Sinn des Lebens. Glauben und Vertrauen gibt durch von Gott geschenkte Erkenntnis eine Ahnung zum Sinn des Lebens aber keine Antwort zu den Ursachen der wunderbaren kosmischen Ordnung. Und damit finden Wissenschaft und christlicher Glaube zusammen, weil man nicht versucht, mit wissenschaftlichem Denken einen Weg zu Gott zu finden. Der liebe Gott hat den Verstand gegeben, nicht um ihn an der Kirchentür abzugeben, aber auch nicht, um sich damit über ihn zu erheben.