Samia läuft

„Früher gab es Respekt,  jetzt gibt es nur noch Gewalt.“ Samia Yusuf Omar, geb. 1991 in Mogadischu (Somalia)

Das Mädchen verbringt ihr Leben im vom Bürgerkrieg zerstörten Somalia. Ihr Traum ist es Läuferin zu werden. Sie verwirklicht ihren Traum und ihr bester Freund und Nachbar Ali ist erst ihr Trainingspartner, später dann ihr Trainer. Ihr Vater wird von der Al-Shabaab-Miliz ermordet, weil er sich nicht deren Regiment beugt. Die junge Frau kämpft trotzdem weiter und schafft es, bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking teilzunehmen, geht aber als Schlusslicht durchs Ziel. Da es jedoch in Somalia keine Perspektive für sie gibt, flieht sie durch Äthiopien, den Sudan und Libyen. Am Ende ertrinkt Samia unglücklicherweise vor der Küste Maltas.

Im Kulturforum gab es die Gelegenheit sich vor und nach der Vorstellung an Plakatwänden mit Texten und Bildern über die Situation in Somalia und auch über Samia selbst zu informieren. Der Roman, „Mit Träumen im Herzen“, auf dem das Stück basiert, ist auch ausgelegt.

Im Theaterstück findet ein Wechsel zwischen Puppenspiel und Personen statt, was die Umsetzung sehr modern wirken lässt. Die Kulisse besteht aus Paravants,  in welchen zugehängte Fenster eingefügt sind, behängt mit Müll, der geschickt in das Schauspiel mit einbezogen wird. Der moderne Umgang mit den Requisiten ist angenehm harmonisch, es wird auf Flaschen geklopft, Sand verstreut und mit Plastikplanen geraschelt, die Meeresrauschen imitieren.

Die Puppen, die Samia darstellen, sind lebensecht geformt und werden auch so geführt . Eher gewöhnungsbedürftig die „musikalischen“ Einwürfe, bei denen einer der beiden Schauspieler auf der Bühne mit einer EGitarre steht und befremdliche Klänge ertönen. Gelungen sind aber die Klopfrhythmen, die jedes Mal ertönen, wenn Samia läuft. Diese bringen Struktur in das Stück und veranschaulichen die Handlung.
Videoprojektionen dazwischen zeigen die zerstörte Umgebung des vom Bürgerkrieg zerstörten Landes am Horn Afrikas.

Die erschreckend aktuelle Situation der Flüchtlinge bekommt ein Gesicht. Eine junge Frau, die das gesamte Leben noch vor sich hat, sieht keine andere Möglichkeit als sich auf den hoch riskanten, illegalen Wegen nach Europa zu machen.

Ähnlich wie bei „Anne Frank“ gibt das Schauspiel Samia ein Gesicht und dadurch ihre Würde zurück. Ein Stück, das uns wach rüttelt, das uns erkennen lässt, welche Möglichkeiten wir hier in unserem Land haben, bereits in der Jugend an unseren Träumen zu arbeiten und diese mit einer soliden Ausbildung und Unterstützung wahr werden zu lassen. Wir können erkennen, wie gut es uns auf „unserer“ Seite der Erde geht.

Allerdings ist das Stück nichts für zarte Nerven und so wird mancher, der leider nur wenigen Zuschauer, äußerst betroffen und erschüttert (wie ich) den Heimweg angetreten haben.

Paul Medla