Pyrotechnik: Schussgewaltige Damenunterwäsche

Pyrotechnik: Schussgewaltige Damenunterwäsche

Wäre James Bond eine Frau, hätte „Q“ ihr mit Sicherheit das konstruiert, womit die „Großherzogin von Gerolstein“ in der gleichnamigen Operette (Premiere am 11. Januar 2013) ihre Eifersucht stillt.

„Es wird umfangreich Pyrotechnik zur Anwendung kommen.“  So sachlich, so einfach formuliert sich eine Anforderung des künstlerischen Teams um Regisseur Georg Blüml, die bei der ersten Bauprobe im Sommer 2012 für die Operettenproduktion „Die Großherzogin von Gerolstein“ diskutiert wurde. Im Einzelnen: Granateneinschüsse, ein Feuerpilz, eine startende Rakete, Wandeinschüsse und:
Damenunterwäsche, die Schüsse abgeben kann,  Arbeitstitel „ Busenkanone“.
Eine Busenkanone also, die Einschusslöcher in den Bühnenwänden hinterlassen soll, aber auch ins Publikum feuert.

Die Ideen sind zunächst ganz im Sinne der Operette. Jacques Offenbach komponierte „Die Großherzogin von Gerolstein“ zur Pariser Weltausstellung im Jahr 1867 als Militärgroteske und feierte einen seiner nachhaltigsten Erfolge.

Am Stadttheater Fürth ist Bühnenmeister Dietmar Schleinitz  Herr über alles, was kontrolliert blitzen und krachen soll. Er ist ausgebildeter und geprüfter Pyrotechniker, ein Know-how, das alle fünf Jahre mittels Lehrgang aktualisiert werden muss.

Pyro-Psychologie

Über allen Planungen steht selbstverständlich die Sicherheit für Künstlerin und Publikum. Sicherheit in punkto Lautstärke, in punkto Feuersicherheit und in punkto Kontrolle über den Zündzeitpunkt. Mit den Materialien, die beim alljährlichen Silvesterfeuerwerk verwendet werden, hat das alles herzlich wenig  zu tun.

Zunächst muss das Kostüm aus schwerentflammbarem Material gefertigt sein. Und es muss absolut sicher sein, dass sich kein Schuss löst.
Zwei Alternativen wurden in Betracht gezogen. Eine elektrische Zündung, die die Darstellerin der Großherzogin Juliane Schenk selbst auslösen muss oder eine Zündung über Funk, die von der Technik hinter der Bühne ausgelöst wird. Letzteres hat natürlich eine starke psychologische Komponente. Die Unsicherheit, wann genau die Zündung erfolgt, ängstigt bewusst oder unbewusst.
Auch aus diesem Grund bezog Dietmar Schleinitz Juliane Schenk sehr früh in alle Planungen ein. Dietmar Schleinitz hat die Erfahrung gemacht, dass „mit dem Wissen um das Wie auch die natürliche Angst vor dem Effekt sinkt.“

Die Entscheidung fiel für eine elektrische Zündung. Juliane Schenk kontrolliert also selbst, wann die Schüsse gezündet werden.

Sicheres Entsichern

Zunächst konstruierte Dietmar Schleinitz einen feuerfesten Träger aus Edelstahlschüsseln. Schussfähig wird die  „Busenkanone“ aber erst nach drei Schritten.  Zunächst erhält die Schauspielerin erst kurz vor ihrem Auftritt die Akkus, die den notwendigen Strom liefern, um die sogenannte Pyrowatte zu zünden. Vorher ist das Gerät also stromlos und somit absolut sicher. Rechts und links befinden sich Schalter, die die Sängerin dann entsichern muss. Grüne Leuchtdioden zeigen an, ob gesichert oder entsichert ist.  Erst dann können die fünfstufigen Drehschalter betätigt werden und jeweils fünf Schüsse abgegeben werden.
Die Pyrowatte gibt einen gut sichtbaren Feuerstrahl von etwa 5-10 cm ab, der aber nur sehr kurz erleuchtet, einem Mündungsfeuer sehr ähnlich.
Enttäuschend dagegen der Ton. Nur ein lahmes Plopp ertönt. Und selbstverständlich werden auch keine Kugeln verschossen.

So kommt das Loch in die Wand

Damit ein Schuss ein ordentlicher Schuss wird, muss es natürlich knallen. Der wiederum kommt aus der Tonanlage. Schon deswegen, weil ein lauter Knall so nahe am Körper für die Darstellerin nicht zumutbar wäre. Manuell lässt sich das allerdings nicht steuern. Die Verzögerung vom sichtbaren Schuss zum Finger auf dem Tonpult wäre merkbar und die Illusion hinüber.

Ein Mikrophon sendet also das Ploppen der Pyrowatte per Funk an das Tonpult. Dort wird es ohne merkliche Zeitverzögerung  in einen ordentlichen Schuss umgewandelt, der dann aus den Lautsprechern kommt.

Fehlen noch die Einschüsse. Zielen muss Juliane Schenk nicht. Die Treffer sind bereits vorbestimmt. An einigen Stellen wurde die Wand präpariert. Dort befindet sich ebenfalls Pyrowatte und ein wenig Babypulver, damit es auch eindrucksvoll staubt. Jetzt erfolgt die Zündung per Funk durch Dietmar Schleinitz von der Hinterbühne aus. Eine Verzögerung schmälert in diesem Fall die Illusion überhaupt nicht.
„Funktionieren kann so etwas aber nur mit einer mutigen Darstellerin, die bereit ist, sich auf diesen Prozess einzulassen.“, lobt Dietmar Schleinitz die Sängerin Juliane Schenk.

Vier Stunden dauert die Renovierung der Wand und das Präparieren vor jeder Vorstellung, eine weitere Stunde das Präparieren der schießenden Unterwäsche.

Dazu kommen noch Vorbereitungen für die eingangs erwähnten Granateneinschüsse, den Feuerpilz und die startende Rakete. Wie all das funktioniert will Dietmar Schleinitz allerdings nicht verraten.  Denn: „Wenn man schon alles weiß, leidet doch der Bühnenzauber ein wenig.“

Mehr Informationen http://www.stadttheater.de/gerolstein