Persönliche Freiheit in unseren Zeiten. Wieviel Freiheit braucht der Mensch?
06 Montag Apr 2020
Geschrieben von jtomski in Allgemein
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Eine der mächtigsten Freiheitserzählungen unserer Kultur steht gleich am Anfang der jüdischen Bibel. Das ist ganz großes Theater mit allen Beigaben, die der Mythos von der großen und schweren Freiheit braucht.
Ein unbelehrbarer Herrscher, geknechtete Fremdarbeiter, ein Held der Freiheit namens Mose und der lange Auszug eines ganzen Volkes aus dem Land der Sklaverei. Tausendmal auf die Bühne gebracht, immer neu nacherzählt, bebildert, verfilmt. Die Wege der Freiheit mit all ihrem Jubel, ihren Ängsten und Zweifeln und Sehnsüchten, mit ihrer vermaledeiten Gefährdung zu scheitern und ihren langen Wegen, auf denen gemurrt wird und aufbegehrt, hier ist alles schon einmal wie in einem Drehbuch aufgeschrieben und in der Geschichte der Menschheit ungezählte Male neu inszeniert. „We shall overcome“ sangen die schwarzen Bürgerrechtler mit Martin Luther King und erinnerten an den Auszug der Hebräer aus Ägypten, als sie gegen die amerikanischen Rassengesetze protestierten. Die Sklaven auf den Baumwollfeldern der Südstaaten sangen das Sehnsuchtslied: „Let my People go“. Marius Müller-Westerhagen begleitete die friedliche Revolution vor dreißig Jahren mit diesen Worten: „Alle, die von Freiheit träumen, sollen‘s Feiern nicht versäumen, sollen tanzen auch auf Gräbern. Freiheit, Freiheit. Ist das einzige, was zählt.“
Vom ausgelassenen Feiern erzählt schon unsere Bibel, das alte patriarchalische Buch. Und auch hier geht es nicht ohne Musik. Eine Frau spielt die Hauptrolle. Die Prophetin Miriam tanzt vor dem Zug der Männer, Frauen und Kinder her, die soeben das rote Meer durchschritten haben. Und sie ist geradezu in Ekstase vor Freude, sie trägt eine Trommel um den Leib und kann nicht aufhören, die Trommel der Befreiung zu schlagen. Doch auch die andere Seite der Freiheit kennt das uralte Drehbuch aller Revolutionen: Dass Freiheit Entbehrungen fordert, dass sich Menschen zurücksehnen in die Bequemlichkeit und Sicherheit eines unterdrückten Daseins. Dass Freiheit mit offenen Protesten rechnen muss und dass der Kampf um eine verantwortete Freiheit jeden Tag neu bestritten werden muss.
Wenn Angehörige der jüdischen Religion Jahr für Jahr ihr Passahfest feiern, dann ist in diesem Fest die tausendjährige Erinnerung geborgen an die schwer zu erringende, aber auch schwer zu erhaltene Freiheit. Und das Fest endet mit einem Halleluja. Jedes Jahr im Frühling.
Prof. Johanna Haberer, evangelische Theologin, Journalistin,
Professorin für Christliche Publizistik