Bernhard Kellermann (1879-1951) – ein (un-)vergessener Fürther Bestseller-Autor
07 Mittwoch Okt. 2015
Geschrieben von Redaktion in Allgemein, Musiktheater
Mit der Musical-Uraufführung „Der Tunnel“ rückt das Stadttheater Fürth einen Bestseller-Autor in den Fokus, der zu Unrecht weitgehend vergessen war. Von Bernhard Kellermann stammt die Romanvorlage für das Musical.
Kellermann wurde am 4. März 1879 in Fürth geboren und feierte mit seinem expressionistischen Roman „Der Tunnel“ einen literarischen Welterfolg.
„Der Tunnel“ erschien im April 1913. Innerhalb eines Monats wurden 10 000 Exemplare verkauft, und nach einem halben Jahr betrug die Auflage bereits 100000. Damit gilt „Der Tunnel“ als erster deutscher Bestseller des 20. Jahrhunderts.
Bereits 1914 kam eine Verfilmung durch William Wauer in die Kinos. 19 Jahre später drehte Kurt Bernhardt eine weitere Fassung u.a. mit Gustav Gründgen.
Der Schriftsteller Bernhard Kellermann begann in seinen frühen Romanen und Erzählungen mit impressionistischen Stimmungsbildern. Die zarten Liebes- und Sehnsuchtsgeschichten, die „Yester und Li“ oder „Ingeborg“ enthalten, waren damals keinesfalls erfolglos. Umso verblüffender war die Einführung der sozialen Thematik, die bei Kellermann etwa 1910 mit dem Roman „Das Meer“ einsetzte. Noch konsequenter im Stil und in der Destruktion finanzieller Manipulationen und kapitalistischer Methoden war Kellermanns technischer Zukunftsroman „Der Tunnel“. Die Erstveröffentlichung 1913 wurde zur ungeahnten Sensation. Die ungeheure Popularität dieses Science-Fic¬tion-Romans mit sozialkritischer Grundtendenz lag an der Technikbegeisterung der Massen und der sachlich-knappen Darstellung schneller Arbeitsabläufe, die das Lebensgefühl der Menschen kurz vor dem Ersten Weltkrieg traf. Hinzu kam eine leicht verständliche Sprache, die nicht Gefahr lief, ins Pathos abzugleiten, eine zur Zeit des literarischen Expressionismus um das Jahr 1914 häufig zu beobachtende Tendenz.
Den Welterfolg konnte der 1879 in Fürth geborene Kellermann allerdings nie wiederholen. Im Ersten Weltkrieg war der Schriftsteller als Kriegsberichterstatter beim berühmten „Berliner Tageblatt“ eingesetzt und entwickelte sich zum radikalen Pazifisten. Sein Roman „Der 9. November“(1921) zeigt diesen Wandel deutlich. Aber diese Wendung war für seinen weiteren Lebensweg fatal. Die Nationalsozialisten verbrannten das Buch 1933 öffentlich. Auch spätere literarische Versuche, an die Thematik der Fortschrittsgläubigkeit im „Tunnel“ anzuknüpfen, reichten nicht an die Erfolge aus der Vorkriegszeit heran.
Warum Kellermann aber in der Bundesrepublik Deutschland und auch in seiner Heimatstadt Fürth fast vergessen ist, liegt hauptsächlich an seinem späteren Lebensweg. Kellermann blieb trotz Bücherverbrennungen in Deutschland während des Nationalsozialismus und schaffte es weitgehend in Ruhe gelassen zu werden. Er leistete inhaltlich wenig Widerstand (zumindest nicht öffentlich), schrieb in dieser Zeit aber eher unpolitische Unterhaltungsliteratur und „rettete“ sich damit über die Runden.
Als Kellermann nach dem Krieg in der „Sowjetischen Besatzungszone“ blieb, sogar 1949 Abgeordneter der Volkskammer der DDR sowie Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft wurde, verzieh man ihm das im Westen nicht. Zusammen mit Johannes R. Becher gründete er 1945 den Kulturbund der DDR und wurde dessen Vizepräsident. Der Kulturbund war in seiner politischen Ausrichtung eindeutig und verstand sich als „antifaschistischer Verband zur Umerziehung der Intelligenz“.
Kein Wunder, dass Kellermann in der DDR hochgeehrt und vielgedruckt wurde, während es in der Bundesrepublik sogar zu einem zeitweisen Boykott in den Buchhandlungen kam. Im „kalten Krieg“ geriet er in Westdeutschland endgültig in Vergessenheit. Seine Heimatstadt Fürth machte da keine Ausnahme. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass Bernhard Kellermann „nur“ die ersten neun Jahre seines Lebens in Fürth lebte. Nach dem Tod des Vaters zog die Mutter mit ihren fünf Kindern in ihre Heimatstadt Ansbach, später studierte Kellermann an der TH München, bevor Berlin und Potsdam zu seiner zweiten Heimat wurde. Dort blieb er bis zu seinem Tode 1951 in Klein Glienicke bei Potsdam.
Es ist kein Zufall, dass auch in jüngster Zeit der ausführlichste Artikel zu Kellermann und dem legendären „Tunnel“-Fieber von einst im „Neuen Deutschland“ erschien. Zum hundertjährigen Jubiläum des Bestsellers schrieb Klaus Bellin eine ausführliche Würdigung (siehe Seiten….).
Erst 2015 – 64 Jahre nach Kellermanns Tod und 25 Jahre nach der deutschen Einheit – scheint die Ungleichbehandlung in West und Ost endlich aufgehoben. Der ars vivendi Verlag in Cadolzburg hat den Roman „Der Tunnel“ in die „Edition moderne fränkische Klassiker“ aufgenommen. Die Neuerscheinung zeitgleich zur Uraufführung des „Tunnel“-Musicals im Stadttheater Fürth macht es möglich, dass endlich der Jahrhundertroman in Fürth und in ganz Deutschland einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird.
Werke
• Yester und Li (1904)
• Ingeborg (1906)
• Der Tor (1909)
• Das Meer (1910)
• Ein Spaziergang in Japan, Reisebericht (1910)
• Sassa yo Yassa. Japanische Tänze (1911)
• Der Tunnel (1913)
• Der Krieg im Westen, Kriegsbericht (1915)
• Krieg im Argonnerwald, Kriegsbericht (1916)
• Der 9. November (1921)
• Die Heiligen, Novelle, (1922)
• Schwedenklees Erlebnis (1923)
• Die Brüder Schellenberg (1925)
• Die Wiedertäufer von Münster (1925)
• Auf Persiens Karawanenstraßen, Reisebericht (1928)
• Der Weg der Götter. Indien, Klein-Tibet, Siam, Reisebericht (1929)
• Die Stadt Anatol (1932)
• Jang-tse-kiang (1934)
• Lied der Freundschaft (1935)
• Das blaue Band (1938)
• Meine Reisen in Asien (1940)
• Georg Wendlandts Umkehr (1941)
• Was sollen wir tun?, Aufsatz, (1945)
• Totentanz (1948)
• „Wir kommen aus Sowjetrussland“, Bericht (1948)