AnhaltischesTheater Dessau

Gastspiele sind ein wichtiger Bestandteil des Spielplans am Stadttheater Fürth. Operngastspiele sind beim Publikum beliebt, geben vielen Theatern die Möglichkeit, aufwendige Produktion auch außerhalb ihrer Heimatbühne zu zeigen, und erweitern den Spielplan des Stadttheaters um eine besondere Note. In Fürth ist es unvorstellbar, ein Werk wie „Faust“ von Gounod selbst zu produzieren. Solisten, Orchester, Chor, Extra-Chor und Ballett erfordern eine Anzahl von circa 100 Mitwirkenden, die niemals auf dem freien Markt zu engagieren wären.

Um die Umsetzbarkeit eines solchen Gastspiels zu testen, fuhr ich als Dramaturg am Sonntag, den 29. April in die Bauhausstadt Dessau. Dort gab es eine Sonntagsnachmittagsvorstellung von Gounods „Faust“, die vor wenigen Wochen dort Premiere feierte und den Stadttheater als Gastspiel in der Saison 2012/2013 angeboten wurde. Der frühe Vorstellungsbeginn bot die Chance, an einem Tag die circa 400 Kilometerstrecke (einfacher Weg) zu überwinden. Schließlich ruft am Montag wieder der Schreibtisch im Fürther Büro.

Also: Aufbruch am Sonntagmorgen gegen 10 Uhr auf die weitgehend leere Autobahn, Ankunft in Dessau gegen ca. 14 Uhr, ein kurzer Blick auf das renovierte Bauhausgelände war noch möglich, Imbiss im Stehen, Einführung des Dessauer Dramaturgie-Kollegen um 14.30 Uhr und dann ab 15 Uhr bis circa 18.30 Uhr Vorstellung. Das Werk

Die Vorstellung im gigantisch-opulenten Dessauer Theater begann um 15 Uhr. Parkplatzprobleme gibt es nicht. Man stellt sein Fahrzeug einfach irgendwo ab. Breite kopfsteingepflasterte Straßen beherrschen noch immer das Stadtbild. Hinter dem wunderschönen kolossalen Theaterbau sind noch Ruinenlandschaften aufgelassener Fabriken zu erkennen. Leerstand in Wohnungen auch hinter denkmalgeschützter Fassaden sind ebenfalls keine Seltenheit.  Nun gut! Es war keine Stadtbesichtigung!

Dreieinhalb Stunden Musikgenuss auf hohem Niveau standen im Mittelpunkt und waren der Grund des Kurztrips. Womit auch bewiesen wäre: man muss nicht nach Leipzig oder Dresden fahren, um „große Oper“ zu erleben. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Gounod schreibt noch in der fünfaktigen Tradition Meyerbeers und Berlioz mit großen Volks- und Massenauftritten, wenn auch seine Form der Tragedie lyrique die individuelle Charakterisierung von Faust und Margarete durchaus in den Mittelpunkt rückt. Insgesamt war eine qualitativ hochbesetzte Vorstellung zu erleben, die auch in Fürth nächste Saison seine Bewunderer finden wird.

Danach folgte noch ein kurzes Essen in der Innenstadt, die sich am Sonntagabend menschenleer zeigt. Eine höchst widersprüchliche Welt offenbart sich in Dessau, einer Stadt, die mir Bevölkerungsschwund zu kämpfen hat.  Ein wunderbarer Park mündet in einen merkwürdigen „Schlossplatz“, der von verwahrlosten Plattenbauten neben einer Backsteinkirche und einem fürstlichem Denkmal umsäumt wird. Das ehemalige Schloss existiert nicht mehr im Unterschied zu den kunsthistorisch wertvollen Musterhäusern der Bauhaussiedlung. Kurzum nach der Rückfahrt gegen 20 Uhr und der Ankunft in Fürth um Mitternacht blieb die Erkenntnis: Für sechs Stunden Aufenthalt in Dessau –  davon dreieinhalb Stunden Opernbesuch – und zusätzlich acht Stunden Fahrzeit für Hin- und Rückweg sind vielfältige und beeindruckend gegensätzliche Eindrücke haften geblieben.

Die Dessauer freuen sich auf einen geringfügig längeren Aufenthalt nächste Saison in Fürth am 12. Juni 2013 zur Vorstellung „Faust“ im Stadttheater.

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