Beim 9. Treffen bayerischer Theaterjugendclubs in Ingolstadt feierte der Fürther Jugendclub Premiere mit „Die Ente wird gefressen“. Die Jugendlichen thematisieren ihre eigene Kindheit. Sarah Brockhaus – Mitglied des Jugendclubs und dieses Jahr in der zweiten Produktion des Jugendclubs „Wachstum. Weggehen. Bleiben.“ als Schauspielerin zu sehen war vor Ort in Ingolstadt und berichtete:

Am Donnerstag, den 18. Juni 2015, kurz nach neun traten wir unsere „Flucht ins Wunderland“ an. „Flucht ins Wunderland“ war das Motto für das 9. Treffen bayrischer Theaterjugendclubs. Wir freuten uns auf ein langes Wochenende voller Begegnungen, Überraschungen, Spannung und Spaß und sollten nicht enttäuscht werden.

15 Stücke erwarteten uns in vier Tagen auf drei Bühnen. Stücke, die Fragen stellten, die zum Nachdenken brachten, die provozierten – in Tänzen, Sprechchören und Texten, immer irgendwie anders. Wo stehe ich im Leben? Wo stehe ich in dieser Welt? Wer bin ich?  Antworten bekamen die Zuschauer keine. Antworten erwarteten wir aber auch nicht. Unterhaltsame, bunte, humorvolle Stücke wurden präsentiert. Teils gab es Eigenproduktionen zu sehen, teils Inszenierungen zu mehr oder weniger bekannten Dramen. Eine abwechslungsreiche Mischung aus kritischen, humorvollen, ernsten Stücken immer mit  intensiven Nachgesprächen, mit Zeit für Kritik und Lob oder einfach zum Gedankenaustausch.

Wie überhaupt der Austausch zwischen den Teilnehmern eines der wichtigsten Erfahrungen dieses Treffens war. Abseits von der Bühne diskutierten und philosophierten wir viel oder alberten einfach nur herum, lachten und hatten Spaß. Wenn 200 theaterbegeisterte Jugendliche zusammentreffen ergibt sich ein ganz eigenes Wunderland aus Kreativität, Verrücktheit und Spaß am Leben. Im Regen tanzen, Massage- und Kuschelkreise, auf Sofas unter Bäumen abhängen und und und …

Der organisatorische Rahmen und das Rahmenprogramm waren ideal, um das zu ermöglichen und zu fördern.

Die „Fläming Kitchen“ versorge uns morgens, mittags und abends mit vegetarisch-veganer Küche, die regional-bio-faire Lebensmittel zum Kochen verwendet, die sonst im Müll landen würden. Zwei Bands sorgten für die musikalische Note. Bei der Open Stage konnte sich jeder spontan auf die Bühne wagen. Und so gab es Poetry Slam, Monologe, klassische Gedichte und Gesangseinlagen zu sehen und zu hören. Samstagnachmittag schließlich konnten wir uns nach Belieben in verschiedenen Workshops ausprobieren. Eine Gruppe zog los in die Stadt unter dem Thema „Interventions-Labor“ und veranstaltete spontane Kaffeekränzchen in Einkaufszentrum oder tat, was verrückten Schauspieler sonst noch so einfiel auf der Straße. Eine andere Gruppe lernte, wie man sich ordentlich auf der Bühne prügelt. Wieder andere erstellten kleine Kunstwerke aus Materialien aus dem Müll und so weiter und so fort.

Schlaf wurde während der ganzen Zeit eher klein geschrieben – also eher nach dem Motto „schlaf vielleicht doch mal ein bisschen! Ach nein, keine Lust, es gibt hier so viel Spannenderes zu tun als zu schlafen.“ Dabei hatten wir es uns in unserer Turnhalle mithilfe von einem Pavillon, einem Zelt, Tüchern und Turnmatten auf unserem sauber eingerahmten Schlafplatz wirklich gemütlich eingerichtet.

Die letzten Minuten vor unserer Abreise schenkten wir denen, die ihr Wunderland in Europa sehen, die nicht einfach mal auf ein Theaterjugendclubfestival fahren können. Wir gingen schweigend auf den Rathausplatz. Auf ein Signal fielen alle zweihundert Jugendlichen auf einmal hin und zeichneten mit Kreide ihren Umriss auf dem Boden nach. Ein Zeichen im Gedenken an die vielen Flüchtlinge, die auf ihrer Reise in maroden Booten und Schiffen ihr Leben verloren hatten.

Die Zeit in Ingolstadt war eine Ewigkeit und eine Sekunde zugleich für alle. So viele leicht schräge, witzige, wunderbare Menschen auf einem Haufen und so viel zu sehen, zu hören, in sich aufzunehmen und gleichzeitig waren die vier Tage viel zu schnell vorbei:

So viele Gesichter
Mit tausend Gesichtern
Im Schein der Bühnenlichter
Und in Wirklichkeit?
Wer bist du, du, der hinter diesem Lachen, Weinen, Funkeln steckt?
Bist du du oder hast du dich gerade selbst erfunden, neu erweckt
dieses witzige, verrückte, laute ich-Gesicht?
Spielst du dich in dem Stück, das Leben heißt?
Kannst du auf der Bühne du selbst sein
und im wirklichen Leben nur Schein?

Sarah Brockhaus