Share it

Der Name Judas steht seit 2000 Jahren für Verrat. Verrat an Jesus Christus, der durch Judas den Schriftgelehrten und Hohenpriestern ausgeliefert wurde. Wer ist dieser Mann, der seit Jahrtausenden geschmäht, verabscheut und verteufelt
wird, obwohl gerade durch sein Mittun und seinen berühmten „Judaskuss“ die Geschichte der Kreuzigung des Heilands
ihre entscheidende Wendung nahm und das Christentum zu einer der großen Weltreligionen wurde? Nach zweitausend
Jahren glaubt die niederländische Autorin Lot Vekemans, dass es an der Zeit ist, Judas selbst sprechen zu lassen.

Wir interviewten Sebastian König, den Darsteller des Judas, über seine Biografie, seine Einstellung zu Religion und die Figur des Judas sowie seine bisherigen Erfahrungen am Stadttheater Fürth.

judas-quer

 

Kannst Du kurz Deine bisherige schauspielerische Biografie schildern, wie kamst Du überhaupt zum Schauspielern?

Ich kam zum Schauspiel wie die Jungfrau zum Kinde … ein Freund hat mich zu einer Theater-AG mitgenommen, und nach anderthalb Stunden Improvisation wusste ich: Das will ich machen! Ich habe mich an allen möglichen Schauspielschulen beworben, und am Max Reinhardt Seminar in Wien hat es dann auf Anhieb geklappt. Nach der Schauspielschule ging ich für zwei Jahre nach Essen ans Grillo Theater. Ab 2007 war ich dann an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg Platz in Berlin engagiert.

Was reizt Dich an der Figur Judas? 

Im Unterschied zu z. B. Caligula, der Rolle des römischen Kaisers, die ich zuletzt am Stadttheater gespielt habe, ist sehr viel weniger überliefert. Es gibt keine Sekundärliteratur zu der historischen Figur Judas, die hundertprozentig gesichert ist und „die eine Wahrheit“ enthält . Was mich besonders interessiert: Judas wird als böse, schlecht, der Verräter schlechthin wahrgenommen, doch was steckt hinter der Person und seiner Geschichte? Wieso hat er so gehandelt, was wollte ER erreichen? Judas ist eine sehr vielschichtige Person gewesen mit einer EIGENEN Geschichte, und nicht einfach nur der böse, geldgierige Jude. Diese gefährliche Ansicht hat ja leider schon zu vielen Katastrophen geführt. Als Werner Müller mit dem Rollenangebot an mich herangetreten ist, dachte ich: super! Ich sehe mich auch als Religionskritiker, und es war mir wichtig, hier der christlichen Geschichte zu begegnen, die von sehr vielen Menschen als absolute Wahrheit empfunden wird, und diese anders zu beleuchten.

Das Stück „Judas“ ist ein Monolog – ist dies besonders schwierig, oder kannst Du Dich so besser in die Rolle einfinden?

Es ist insofern Neuland für mich, als dass ich noch nie einen Monolog gespielt habe. Aber im direkten Spiel gibt es letztendlich keinen Unterschied. Im Probenprozess konzentriert man sich natürlich mehr auf diese eine Rolle, hat mehr Zeit für die Arbeit an der Figur, weil der Fokus ganz auf ihr alleine liegt. Ansonsten denke ich aber, dass auch eine kleine Nebenfigur in einem Ensemblestück die gleiche Konzentration bezüglich des Spielens erfordert wie eine Hauptfigur.

Wie ist der Umgang mit den Zuschauern im Stück „Judas“, Du bist ja angewiesen auf das Publikum …

Als Schauspieler bin ich ja immer auf sie angewiesen! Ich spiele sehr gerne nicht nur für das, sondern mit dem Publikum zusammen. Es soll sich nicht zurücklehnen. Diese Hoheitsstellung des Theaters ist falsch. Theater muss zu den Leuten kommen, auch über soziale Medien, über Trailer, über Stadtprojekte, über so viele Informationskanäle wie möglich, und das muss sich auch auf die Bühne übertragen. Und nicht denken: Ah, wir spielen „Hamlet“, da kommen eh alle und gut ist. Ich gehe gerne auf die Zuschauer zu. Das liebste Publikum ist mir das, das keine Angst und Scheu hat, aber da mache ich mir beim Fürther Publikum keine Sorgen. Das Spannendste für mich ist, wenn die Theaterbesucher mich überraschen, mit mir in einen Dialog treten, meinen Provokationen entgegentreten. Wenn sie mir auf „Augenhöhe“ begegnen und mich fordern.

Das Motto unserer Spielzeit ist „Was glaubst denn Du?“ Wie stehst Du zum Thema Glauben? Und warum ist es wichtig so ein Thema auf der Theaterbühne zu verhandeln?

Ich glaube, ja: an den Fußballgott! Nein, im Ernst, ich finde das Spielzeitmotto großartig. Es ist ein wichtiges, tagesaktuelles und politisches Thema, das Menschen beschäftigt. Ich selbst stehe der Kirche und Religionen im Allgemeinen sehr kritisch gegenüber, denn die Religion hinkt immer hinter der Ethik, Moral und der Politik einer Gesellschaft um Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende hinterher. Es kann doch einfach nicht sein, dass die christliche Kirche z. B. Homosexualität noch immer nicht akzeptiert, um nur ein Beispiel zu nennen. Homosexuelle Handlungen werden als „moralische Unordnung“  betrachtet, die der „schöpferischen Weisheit Gottes entgegenstehen“ und dem Naturrecht widersprechen, weil die „Weitergabe des Lebens“ beim Geschlechtsakt ausgeschlossen bleibt. Da bleibt einem doch die Spucke weg. Wir leben im Jahr 2016! Es ist doch fast immer so, dass kleine Gruppierungen einer Gesellschaft die Umstände kritisch hinterfragen, dann irgendwann kommt die Politik dahinter und es werden Gesetze verabschiedet und Rechte geändert und dann als Allerletztes kommt vielleicht irgendwann die Religion hinterher, weil sie merkt, dass (zu) viele Menschen andere Maßstäbe haben. Das mag vielleicht nicht auf alle Weltreligionen zutreffen, wie z. B. den Buddhismus, aber wenn wir uns im Hinduismus die Kasten ansehen, in die man hineingeboren wird: dann hinterfrage ich das sehr kritisch. Vieles ist überholt, es gelten andere Maßstäbe. Meine Auseinandersetzung mit der Gegenwart und der Zukunft ist nicht an eine Religion gekoppelt. Dadurch ist man auch offener für Veränderung und Entwicklung.

Du bist ja schon zum dritten Mal in Fürth – was gefällt Dir am Fürther Theater/Fürth besonders? Hast Du bestimmte Geheimtipps?

Mein – wahrscheinlich gar nicht so geheimer – Geheimtipp: das Restaurant „Made in Italy“, da bin ich mittlerweile schon Stammgast. Und ich bin ein großer Saunagänger. Als ich hier letztes Jahr „Caligula“ spielte, sprach mich in der Sauna ein Mann an und meinte: „Sie sind doch der römische Kaiser! Caligula!“ Und ich gehe sehr gerne im Fürther Stadtpark spazieren, da findet man mich eigentlich immer, wenn ich nicht gerade probe. Was ich am Fürther Stadttheater so schätze: hier werden Stücke bewusst ausgewählt, auch Stücke, die provozieren. In Berlin zum Beispiel hat man schon alles gesehen, da schockt keinen mehr was. Das Publikum ist dort übersättigt. Es ist sehr schwer, dort (politisches) Theater zu machen. Hier kann man anders mit dem Publikum in Dialog treten, sich mit den Bürgern an Inhalten und Aussagen reiben. Beim „Volksfeind“, meinem ersten Stück in Fürth, ist aufgegangen, was wir vorhatten, ebenso bei „Caligula“. Einige Zuschauer haben sich beschwert, ich hatte persönlich und via Mail Kontakt, sie haben sich mit dem Stück und seinen Inhalten auseinandergesetzt, das geht in Fürth gut. Und darum geht es doch im Theater! Ansonsten habe ich den Eindruck, dass das Haus sehr offen ist, Mut zum Dialog hat, sich mit Inhalten auseinandersetzt und ggf. auch Skandale in Kauf nimmt. Anderswo geht es darum, bloß ein volles Haus zu kriegen. Und die Arbeit mit den Regisseuren war bisher genauso, wie sie sein sollte. Wenn man mal eine andere Meinung hat oder Anmerkungen oder mal etwas ausprobieren möchte, dann ist man nicht gleich ein „Problemfall“, sondern wird ernst genommen. Das habe ich schon auch ganz anders erlebt …

Danke, Sebastian König!

Mehr Infos und Karten zum Stück unter www.stadttheater.de/judas

sebastian-koenig