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Fünf Fragen an Yvonne Swoboda – gestellt von Jutta Czurda

Was ist denn bitte schön ein „Panic Room“ und warum gerade dieser Titel für ein Tanztheaterstück?

Bei einem „Panic“ oder auch „Safe Room“ handelt es sich um einen verborgenen, uneinnehmbaren Raum, der den Bewohnern eines Hauses Zuflucht und Schutz im Falle einer Bedrohung gewährt. Das kann ein Einbruch sein, ein Terroranschlag ebenso wie eine Naturkatastrophe, etwa ein Hurricane. Die Nachfrage nach einem solchen Schutz steigt, vor allem in den USA, in den letzten Jahren rasant an, hat aber auch eine lange geschichtliche Tradition. „Nur Mut!“ hat das Stadttheater als Spielzeitmotto ausgerufen. Für mich gehören Mut und Angst untrennbar zusammen. Zwischen diesen beiden Polen pendeln wir unser Leben lang, mit jeder neuen Situation oder Herausforderung, der wir gegenüberstehen. Kann man mutig sein, ohne in die Abgründe seiner Ängste zu blicken, sich ihnen zu stellen? Das Bild des Panic Rooms ist eine schöne Analogie unserer Beziehung zu Mut und Angst und letztlich auch zu Sicherheit und Freiheit. Denn innerhalb des Panic Rooms bin ich zwar zunächst einmal sicher, aber eben auch eingesperrt, unfrei, in einem Tresor für Menschen, der zum Gefängnis wird. Die Angst ist ja selbst ein enger Raum, ein Gefängnis. Der Panic Room im Stück ist kein physisches Gefängnis, kein Bunker. Eher ein Bild für die Räume in uns, in denen wir Zuflucht vor der Welt suchen.

Worum geht es in der Tanztheater-Performance – nur um Panik und Angst?

Angst als beträchtlicher Motivator unseres individuellen wie gesellschaftlichen Handelns spielt sicherlich in all ihren Facetten eine große Rolle im Stück. Gerade in der aktuellen Zeit, in der so Vieles beängstigend scheint, finde ich es wichtig, dass wir uns mit unseren Ängsten auseinandersetzen, sie nicht im Dunklen walten, uns kontrollieren lassen. Angst ist ja auch eine sehr sinnvolle und nützliche Emotion, nur, wenn sie über ihre direkte Schutzfunktion hinaus geht, unreflektiert bleibt, steht sie immer dem Leben, der Lebendigkeit, der Freiheit entgegen. Und um Freiheit geht es auch immer wieder im Stück. Mich interessiert nicht nur die Dunkelheit, sondern gerade auch das Skurrile, das mit Menschen und Gesellschaften geschieht, die sich ständig in Gefahr sehen und bedroht fühlen. Wir schnallen unsere Kinder inzwischen auf Dreirädern an und versuchen, alles um uns ständig noch sicherer zu machen. Aber wieviel Freiheit sind wir bereit aufzugeben für eine Sicherheit, die so gar nicht existieren kann? Perikles schrieb „das Geheimnis der Freiheit ist der Mut“ und auf diesen Satz komme ich immer wieder zurück. Der Rückzug und Einschluss in den Panic Room als Metapher für den Rückzug in uns selbst, beherrscht von unseren Ängsten, mag uns sicher halten, aber dann verschließen wir uns auch für einen großen Teil unserer Lebendigkeit und Freiheit.
Und es geht auch immer wieder um Mut. Wie man ihn findet, was Mut überhaupt ist. Ich glaube wir können nur mutig sein, wenn wir unseren Ängsten ins Auge blicken, sie als Teil eines Prozesses ansehen, der uns immer wieder die Möglichkeit gibt zu wachsen, uns zu erneuern.
Rilke hat mal gesagt „unsere größten Ängste sind die Drachen, die unsere tiefsten Schätze bewahren“.

Gibt es eine spezifisch „moderne“ Angst, eine, die aktuell in der Gesellschaft festzumachen ist?

Angst ist eine archaische Emotion, ein Überlebensmechanismus, wenn man so will, der unverzichtbar zum Fortbestand der menschlichen Spezies beigetragen hat. Angst warnt uns und unsere Mitmenschen vor möglichen Gefahren, sichert unser Überleben.
Schon Kierkegaard und Zeitgenossen haben Angst als das „vorherrschende Lebensgefühl der Moderne“ ausgemacht, insofern ist dieser Gedanke kein neuer, aber zwei Jahrhunderte später ist die Angst ein großer Antrieb für das menschliche Tun, mehr als wir uns vielleicht manchmal bewusst sind. Angsterkrankungen sind inzwischen die häufigsten psychischen Erkrankungen, noch vor Depression und Burnout mit rund 10 Millionen Betroffenen allein in Deutschland. Die Liste von Phobien ist bizarr lang. Wenn statistisch ungefähr jeder vierte Deutsche oder anders gesagt 30 % aller Deutschen, im Laufe des Lebens mit einer Angststörung rechnen muss, dann ist das ein deutlicher Indikator dafür, dass mit unserem eigentlichen Überlebensmechanismus etwas aus den Fugen gerät oder geraten ist.

Wie kann man sich die Arbeitsweise einer Bürgerbühnenproduktion im Brückenbau vorstellen?

Bürgerbühne bedeutet zunächst einmal, dass Laien unter professionellen Bedingungen und unter Einbindung aller Theatergewerke auf der Bühne stehen, ein Theater- oder Tanztheaterstück zur Aufführung bringen. In den vergangenen neun Jahren sind bereits sieben abendfüllende Bürgerbühnenstücke aus dem Brückenbau entstanden. Die Auseinandersetzung mit den Mitteln des Theaters und auch der Anspruch an Theater unterscheiden sich aber nicht von anderen Produktionen. So setzen wir uns, einmal tänzerisch in der Recherchegruppe und szenisch in der Performance-Werkstatt intensiv mit unseren Themen auseinander, forschen quasi in verschiedenen Versuchsanordnungen, mittels Improvisationen, nach dem, was uns bewegt und nach Bewegungs- und Körper-Bildern, die transportieren, was uns bewegt. Laien haben eine sehr pure und berührende Herangehensweise. Und sie machen das mit großem Mut, unendlicher Hingabe und großartiger Disziplin.

Was macht Dir an dieser Arbeit am meisten Freude?

Es ist eine spannende und erfüllende Arbeit, sich mit den Mitteln des Theaters intensiv mit einem Thema auseinander zu setzen. Etwas zu durchdringen und im Idealfall an eine Wahrheit oder Wahrhaftigkeit zu gelangen, die sich auf der Bühne zu erzählen lohnt. Bei einem Tanztheaterstück gibt es meist keine Vorlage, kein Textbuch, auf das man zurückgreifen kann. Es ist reizvoll, eine ganze Welt aus der eigenen Vorstellung zu erschaffen, zu schöpfen, aber auch ein reibungsvoller Geburtsweg.
Unglaublich viel Freude macht es mir, mit meinen Tänzerinnen und Tänzern zu arbeiten, mit ihnen zu forschen, auf Recherchereisen zu gehen. Zu sehen, wie das was wir tun, uns alle berührt und wachsen lässt. Nach beinahe 10 Jahren Brückenbau bin ich immer noch berührt davon, wieviel Schönes, wie viel kreatives Potential jeder Mensch in sich trägt, das nur darauf wartet, einmal mutig ans Licht zu treten!

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Uraufführung
Panic Room
Eine Tanztheater-Performance
Produktion Stadttheater Fürth – Bürgerbühne / Brückenbau
Inszenierung, Choreographie: Yvonne Swoboda
Bühne, Licht: Christian van Loock
Kostüme: Kaja Fröhlich-Buntsel
Soundscape / Projektion: Yvonne Swoboda
Mit Dorothea Bosert, Ulrike Eller, Sybille Fenzel, Raphael Fischer, Ekkehard Fugmann, Silke Hartmann, Maria Holtmannspötter, Eva Hörndlein, Barbara Kamm, Ingrid Krawczyk, Jacqueline Majbour, Thomas Reher, Johannes Schoirer, Angelika Schwertner, Sigrid Schwaiger, Udo Stenzhorn
12./13./14. Jul 2018, 20.00 Uhr
15. Jul 2018, 17.00 Uhr
Kulturforum Fürth, Große Halle